Smart Grids: So werden Stromnetze intelligent

Stabile Stromnetze sind unverzichtbar. Die Seestadt Aspern gilt als europäisches Vorzeigeprojekt. Wie die digitale Transformation der Stromnetze gelingt.

© Gallup Institut
Die Umfrage des Gallup-Instituts zeigt, dass für knapp 70% der Befragten eine sichere, unterbrechungsfreie Stromversorgung sehr wichtig ist. Der Strompreis spielt bereits eine untergeordnete Rolle.

 

Elektromobilität, Power-to-Heat, Hightech-Rechenzentren: Unser Energiehunger nimmt massiv zu. Sollten wir deshalb auf gewisse Technologien verzichten? Bloß nicht. Stellen doch z.B. alternative Antriebstechnologien gleichzeitig den Schlüssel für eine umweltfreundliche Mobilitätswende dar. Ein Zwiespalt? Nicht unbedingt. In einer Modellregion des Forschungsprojekts PoSyCo (Power System Cognification) in der Seestadt Aspern in Wien wird untersucht, wie stabile Stromnetze gestaltet sein müssen. Die Aspern Smart City Research (ASCR) ist Europas größtes und innovatives Energieforschungsprojekt.

Ein intelligentes Stromnetz

Es ist ein Trugschluss zu denken unsere Stromnetze seien nicht intelligent. Im Gegenteil Netzbetreiber haben in den letzten Jahren aufgerüstet und viel investiert. Automatisierte, vorausschauende und digitalisierte Systeme – genannt „Smart Grids“ sind am Entstehen. Sie sollen Probleme frühzeitig erkennen und gezielt Lösungsstrategien implementieren. Das soll vor allem Stromausfälle und Überlastungssituationen vermeiden. Für Roland Zoll, zuständig für die Netzplanung Strom und Telekommunikation im Bereich Smart Grid bei den Wiener Netzen, kann mit relativ einfachen Anpassungen, „schon viel erreicht werden.“ Die Fragen, die er und sein Team sich stellen. 

© ASCR/VogelAV
Smart City – die Stadt der Zukunft

 

Wie wirkt es sich aus, wenn man etwa in Zeiten niedriger Strompreise das eigene Elektrofahrzeug schnellstmöglich laden möchte? Überlassen wir es zukünftig dem Stromnetz, den besten Ladezeitpunkt für unser Elektroauto zu ermitteln? Vielleicht geben wir eines Tages aber auch unseren Gebäuden nur noch einen bestimmten Temperaturbereich vor. Das System entscheidet dann je nach Angebot und Nachfrage auf dem Strommarkt automatisch, wann geheizt werden soll. Anhand von Use Cases werden Antworten auf diese und weitere Fragen gesucht. 

INFO

In 3 Schritten zum Smart Grid

Phase 1 – Einbau  von Sensorik
Durch den Einbau von Sensoren wird die Überwachung des Netzzustandes ermöglicht. Das Netz lernt zu sehen.

Phase 2 – Einsatz von Softwarelösungen
Der Einsatz von Software ermöglicht die Erfassung und Überwachung verschiedener Faktoren wie der Netzauslastung. Das Netz lernt zu denken. Die genauen Netzdaten liefern Hinweise zur optimierten Nutzung der Infrastruktur – ohne aktiven Netzeingriff.

Phase 3 – Zusammenspiel im Smart Grid
Es erfolgt der aktive Eingriff in die Netzstruktur. Die zunehmende Automatisierung erlaubt die Umschaltung und Ansteuerung von Netzspeichern. So lässt sich auch die Nutzung der Gebäude als Energiespeicher aktivieren. Das Netz trifft Entscheidungen im Austausch mit anderen Komponenten. Das hat eine Effizienzsteigerung des gesamten Energiesystems zur Folge. 

Seestadt Aspern als Vorbild

Helfried Brunner vom Austrian Institute of Technology (AIT) untersucht in Aspern Software- wie Hardwarethemen und setzt diese in Relation. „Unser interdisziplinäres Projektteam untersucht dabei nicht nur die Aspekte der physikalischen Netzkomponenten“, so der Koordinator für Strom- und Netzplanung beim AIT. „Wir binden auch die Prozesse der Netzbetriebsführung sowie die kommunikationstechnische Vernetzung ein.“ Übrigens: In der Seestadt Aspern in Wien gibt es bereits Smart Buildings, also intelligente Gebäude, in denen auf dezentrale Weise Strom und Wärme erzeugt wird. Dort verbinden die Netze alle Akteure des Energiesystems. Für Alfred Einfalt, Energieforschungsexperte bei Siemens geht es vor allem darum mit Hilfe kluger Algorithmen die richtigen Schlüsse ziehen zu können. „Und dafür müssen unsere Netze an die neuen Herausforderungen angepasst werden“, so Einfalt. Dazu beforscht die ASCR mit dem Projektpartner Siemens in der Seestadt 12 Netzstationen, 24 Transformatoren sowie fünf Netzspeichersysteme. Auf Empfängerseite sind in den beforschten Gebäuden zudem 500 Smart Meter verbaut. Nur so kommen die Forscher zu den nötigen Daten, um den Zustand des Stromnetzes richtig einzuschätzen.

© ASCR/VogelAV
Smarte Hauptkomponenten sind in Modellregion der Seestadt Aspern bereits im Einsatz. 

FAQ

Was ist PoSyCo?

Das Projekt PoSyCo startete Anfang 2019 und läuft bis Ende 2021. Konsortialführer ist das AIT in enger Kooperation mit Siemens. Weiter Projektpartner sind die TU Wien, Wiener Netze, Wien Energie, TU Graz, ASCR und MOOSMOAR Energies. PoSyCo wird im Rahmen des Energieforschungsprogramms des österreichischen Klima- und Energiefonds als Leitprojekt gefördert. 

Quellen: TU Wien, ASCR